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Mittwoch, 27. Juni 2012

Einwanderer starten Aufholjagd


Regierungsbericht
Die Zahl der Schulabbrecher sinkt, immer öfter gehen Einwandererkinder in eine Kita, immer mehr machen Abitur: Im Bildungswesen zeichnet sich laut Ausländerbericht der Regierung eine Aufholjagd ab. Auf dem Arbeits -und Ausbildungsmarkt allerdings ist die Lage verheerend.

Berlin - "Deutschland schafft sich ab" - mit diesem provokanten Buchtitel sorgteThilo Sarrazin vor zwei Jahren für Aufregung. Nun gibt es neue Fakten zum Stand der Integration in Deutschland. Auf mehr als 650 Seiten hat die Bundesregierung in ihrem 9. Bericht über die "Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland" Zahlen und Studien zusammengestellt.
Wie leben Deutschlands Migranten? Was lernen sie, auf welche Schulen gehen sie, wie viel Geld haben sie? Engagieren sie sich in der Gesellschaft? Und: Gibt es immer noch die großen Unterschiede zwischen den "Urdeutschen" und den "Migranten"?
Fest steht: Die apokalyptischen Sarrazin-Thesen lassen sich anhand des Berichts nicht belegen. Im Gegenteil: Von einem Aufholen der Einwanderer ist in dem Bericht von Staatsministerin Maria Böhmer (CDU) die Rede. Die wichtigsten 
Ergebnisse der Studie im Überblick:



Bevölkerung: Die Zahl der Einwanderer, die in Deutschland leben, ist in den vergangenen Jahren leicht gestiegen. 2010 kamen in Deutschland 15,7 Millionen Menschen aus einer Zuwandererfamilie (100.000 mehr als im Jahr 2008). Die größte Zuwanderergruppe stellen nach wie vor Menschen aus der Türkei. Die meisten Migranten haben die deutsche Staatsbürgerschaft, und die Zahl der Einbürgerungen ist im Berichtszeitraum wieder gestiegen: Nachdem sie im Jahr 2008 auf 94.470 gefallen war, stieg sie 2009 auf 96.122 und 2010 weiter auf 101.570.

Altersstruktur: Zuwanderer sind im Schnitt deutlich jünger - ihr Durchschnittsalter liegt bei 35 Jahren (statt bei 45,9 Jahren in der deutschen Mehrheitsgesellschaft). Bei den unter fünfjährigen Kindern haben in Deutschland mehr als ein Drittel einen Migrationshintergrund - ihr Anteil steigt immer weiter. Besonders viele kleine Kinder aus Einwandererfamilien leben in den Großstädten.

Zuwanderung: Im Jahr 2011 sind insgesamt rund 240.000 Menschen mehr aus dem Ausland zugezogen als ins Ausland abwanderten. Laut dem Bericht konnte zuletzt im Jahr 2001 ein vergleichbar hoher Zuzug festgestellt werden. Als Grund dafür wird die Arbeitnehmerfreizügigkeit seit Mai 2011 für Bürger aus den acht Ländern, die 2004 der EU beigetreten sind, genannt. Aber auch die Euro-Krise spielt eine Rolle. So kamen im Jahr 2011 deutlich mehr Einwanderer aus Griechenland und Spanien nach Deutschland als im Jahr 2010.

Kitas und Kindergärten: Immer mehr Kinder mit Migrationshintergrund besuchen Kindertagesstätten. Die Betreuungsquote der Kinder aus Einwandererfamilien ist zwischen 2008 und 2011 um 53 Prozent gestiegen (von 9,1 auf 14 Prozent). Bei Kleinkindern ohne Migrationshintergrund beträgt die Steigerung 39 Prozent - von ihnen besuchten 2011 30 Prozent eine Krippe. Ein großes Problem bei der frühkindlichen Förderung: Es gibt eine starke Segregation. Viele Kinder, die zu Hause nicht Deutsch sprechen, gehen auch in eine Kita, in der die meisten Kinder ebenfalls aus anderssprachigen Elternhäusern kommen. Im Kindergartenalter zwischen drei und sechs Jahren wird auch der Großteil der Kinder aus Einwandererfamilien nicht zu Hause betreut - auch hier ist die Quote in den vergangenen drei Jahren noch gestiegen. 2011 gingen 85 Prozent der Kinder mit Migrationshintergrund in einen Kindergarten und 97 Prozent der Kinder aus Familien, die aus Deutschland stammen. Die Zahlen sind in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich: So sind in Hamburg und Schleswig-Holstein die Unterschiede zwischen Migranten und aus Deutschland stammenden Kindern am größten.

Schule: "Schrittweise nähern sich die schulischen Leistungen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund jenen ohne Migrationshintergrund an", heißt es in dem Bericht. Der Anteil der ausländischen Jugendlichen, die die Schule ohne Abschluss verlassen, sank von 2004 bis 2010 um 39 Prozent - ist aber trotzdem mit 12,8 Prozent mehr als doppelt so hoch wie bei den deutschen Schülern. In dem Bericht werden in diesem Punkt allein Ausländer und Deutsche unterschieden, weil in der Schulstatistik nur Nationalitäten erfasst werden - unabhängig vom Migrationshintergrund. Noch immer gibt es starke Unterschiede in den Schulformen. Überproportional viele Ausländer (33 Prozent, bei den Deutschen 12 Prozent ) gehen auf eine Hauptschule - ihr Anteil an den Gymnasiasten ist mit gut einem Viertel weit unterdurchschnittlich. Aber in der Mitte treffen sich beide Gruppen: Die Verteilung auf der Realschule hat sich angeglichen. Und: Der Anteil der ausländischen Schüler, die Abitur oder Fachabitur machen, ist zwischen 2005 und 2010 deutlich gestiegen, um insgesamt 36 Prozent. Bei den Nationalitäten gibt es große Unterschiede: Schüler, die aus Russland stammen, sind unter den Migranten am häufigsten auf einem Gymnasium - am schlechtesten stehen bildungsmäßig türkische und italienische Schüler da. Vor allem die soziale Herkunft ist dem Bericht zufolge hierfür entscheidend.

Ausbildung: Eine Trendwende auf dem Ausbildungsmarkt für Jugendliche mit Migrationshintergrund ist dem Bericht zufolge noch nicht erreicht - trotz der guten Entwicklungen bei der Schulbildung. Ende Dezember 2010 lag der Ausländeranteil an allen Auszubildenden bei nur 5,1 Prozent - obwohl die Ausländerquote bei den 15 bis 24 jährigen insgesamt 10,6 Prozent beträgt. Jungen Migranten gelingt es nach wie vor deutlich seltener als Jugendlichen ohne Migrationshintergrund, nach der Schule eine berufliche Ausbildung zu absolvieren, so der Bericht. Das sei auch darauf zurückzuführen, dass Arbeitnehmer bei Einstellungen immer noch häufig pauschal über die Gruppe der Migranten urteilten. So werde etwa ein niedriger Schulabschluss in Verbindung mit weniger Leistungsfähigkeit und Motivation gebracht. "Problematisch ist, dass diese Eigenschaften dann der gesamten Gruppe der Jugendlichen mit Migrationshintergrund zugeschrieben werden, da sie wesentlich häufiger über eine geringe schulische Qualifikation verfügen als diejenigen ohne Migrationshintergrund", so der Bericht . Dramatisch bleibt: Immer noch hatten im Jahr 2010 fast ein Drittel der Migranten im Alter von 25 bis unter 35 Jahren keinen Berufs- oder Hochschulabschluss - dreimal so viele wie bei den Gleichaltrigen, deren Familien aus Deutschland stammen. Dagegen hat sich die Zahl der ausländischen Hochschulabsolventen in Deutschland seit Ende der neunziger Jahre mehr als verdreifacht.

Arbeitslosigkeit: Migranten sind immer noch deutlich häufiger arbeitslos als die Gesamtbevölkerung. Zwar sank im Zeitraum 2005 bis 2010 die Arbeitslosenquote bei Einwandern insgesamt sehr deutlich von 18,1 Prozent auf 11,8 Prozent (im Vergleich: in der Gesamtbevölkerung von 11,3 Prozent auf 7,1 Prozent). Am häufigsten sind Migranten ohne deutschen Pass ohne Job - aber auch hier gibt es leichte Verbesserungen. Bei Ausländern ging die Arbeitslosigkeit von 2010 bis 2011 von 18,2 auf 16,9 Prozent zurück. Aber: Insgesamt konnten Migranten von der guten Konjunkturentwicklung weniger profitieren als Arbeitnehmer aus deutschen Familien - der Abstand zwischen beiden Gruppen wird immer größer.


Armut: Das Armutsrisiko ist bei der Bevölkerung mit Migrationshintergrund dreimal höher. Einwanderer müssen laut Bericht mehr als doppelt so häufig von einem geringen Einkommen leben als Personen ohne Migrationshintergrund (26,2 Prozent gegenüber 11,7 Prozent). Im Jahr 2010 mussten mehr als 60 Prozent der Familien mit Migrationshintergrund mit weniger als 2600 Euro im Monat auskommen. Bei Familien ohne Migrationshintergrund waren es 44 Prozent.

Kriminalität: Auch neue Zahlen über Kriminalität bei Ausländern gibt es in dem Bericht - sie sind allerdings den Autoren zufolge wenig aussagekräftig. So stieg 2010 der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen im Vergleich zum Vorjahr von 21,1 Prozent auf 21,9 Prozent. Die Zahl der nichtdeutschen Verurteilten stieg 2010 minimal von 169.315 auf 169.667. Daraus zu schließen, dass in Deutschland lebende Ausländer deutlich häufiger kriminell würden, sei aber unzulässig, heißt es in dem Bericht - denn es würden auch Durchreisende, Touristen, Grenzpendler und Illegale in der Kriminalstatistik erfasst. Außerdem heißt es in dem Bericht: Ausländern seien "im Vergleich zur deutschen Wohnbevölkerung deutlich jünger und der Anteil von Frauen ist geringer. Sie leben vermehrt in Großstädten, gehören eher unteren Einkommensschichten an, das Bildungsniveau ist insgesamt deutlich niedriger, die Arbeitslosigkeit hingegen höher. Diese Faktoren begünstigen eher kriminelles Verhalten."



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