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Montag, 22. Oktober 2012

Bayern dürfen über Studiengebühren abstimmen


Ein Volksbegehren gegen die bayerischen Studiengebühren ist zulässig. Der Verfassungsgerichtshof folgte damit überraschend den Argumenten der Freien Wähler.
In Bayern könnte es bald zu einer Abstimmung über die Studiengebühren kommen: Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat überraschend ein Volksbegehren der Freien Wähler gegen die Studiengebühren in Bayern zugelassen.
Die Landesregierung hatte ein Volksbegehren für verfassungswidrig gehalten. Deshalb hatte das bayerische Innenministerium den Fall den obersten Richtern des Landes vorgelegt. Denn in Bayern sind Volksentscheide, die den Staatshaushalt betreffen, unzulässig. Mit einer Abschaffung der Studiengebühren sei der Landeshaushalt aber betroffen, hatte das Ministerium argumentiert.
Diese Auffassung teilten die Richter nicht. Der Gerichtshof folgte der Argumentation der Freien Wähler, derzufolge sich das Volksbegehren nicht gegen den Haushalt richte. "Als nichtstaatliche Mittel gehören die Einnahmen aus Studienbeiträgen zum Körperschaftsvermögen der Hochschulen, das getrennt vom Landesvermögen verwaltet wird; sie fließen nicht in den allgemeinen Staatshaushalt", heißt es in der Urteilsbegründung.
Die Freien Wähler wollen mit dem Volksbegehren die Studiengebühren zu Fall bringen. Grüne und SPD hatten sich der Klage nicht angeschlossen, weil sie sie für nicht aussichtsreich hielten. Um ein Volksbegehren in Bayern durchführen zu können, braucht es mindestens 25.000 Unterschriften. Die hatten die Freien Wähler nach Angaben derSüddeutschen Zeitung bereits im April gesammelt.
Bayern ist eines der letzten drei verbliebenen Bundesländer, die noch Studiengebühren erheben. Hamburg hat aber bereits angekündigt, die Gebühren abzuschaffen, Niedersachsen könnte nach der Landtagswahl ebenfalls folgen.

Montag, 20. August 2012

"Der Pate" - Eine Kritik zum Gülen-Artikel im SPIEGEL


Im "SPIEGEL" 32/2012 ist ein höchst fragwürdiger Artikel von Maximilian Popp über Fethullah Gülen und der ihm zugeschriebenen "Gülen-Bewegung" erschienen. Nicht nur, dass die Einseitigkeit des Artikels in der Deutschen Medienlandschaft ihresgleichen sucht; er ist auch gespickt von de facto falschen Informationen sowie nicht belegten Anschuldigungen.
Eine kritische Analyse

Nun ist es also wieder mal soweit. Wieder einmal ein „Muslim bashing“ von einem wohl etwas unbedachten, unerfahrenen, jungen Journalisten, der sich mit Fethullah Gülen und der ihm zugeschriebenen Bewegung befasst. Diesmal mussten halt die Gülenisten für die Bestätigung gängiger Vorurteile gegenüber diversen religiösen und kulturellen Einflüssen mit orientalischem Ursprung herhalten.

Selten liest man in den deutschen Leitmedien einen derart voreingenommenen und undifferenzierten Artikel. Sich augenscheinlich der journalistisch unbedenklicher Neutralität verpflichtet, lässt der Autor auf vier Seiten zwar sowohl Befürworter als auch Kritiker der Bewegung zu Wort kommen, bedient dabei jedoch Zeile für Zeile alle gängigen Vorurteile gegenüber Muslimen im allgemeinen und der Gülen-Bewegung im speziellen. 

Schon der Titel verheißt nichts Gutes: da wird also ein islamischer Gelehrter, der sich wie kaum ein anderer für den Dialog und für die Bildung einsetzt, begrifflich in die Nähe eines italienischen Mafiosi gestellt; Francis Ford Coppola lässt grüßen. Das sich Gülen mehrfach, glaubhaft und entschieden gegen jede Art von Gewalt gestellt und mit seiner Aussage „Ein Muslim kann kein Terrorist, ein Terrorist kann kein Muslim sein“ einen einmaligen Vorstoß nach den 9/11-Anschägen gemacht hat, wird kurzerhand verschwiegen. Wen kümmert es?

Der Text wirkt wie ein Sammelsurium von bereits mehrfach vorgetragenen gängigen Anschuldigungen gegenüber Gülen. Nach neuen Erkenntnissen sucht man vergebens, geschweige denn von Beweisen für die vielen Vorwürfe. Viele der vermeintlichen Anschuldigungen lassen sich mit einem simplen „so what“ beantworten. Dass der Bewegung mehrere Medienorgane gehören, dass sie Schulen gründen und in Bildung investieren, sich die Anhänger in WG’s treffen -wohlgemerkt ganz ohne Alkoholkonsum und stickt getrennt nach Geschlechtern- liest sich wie eine Aufzählung von Banalitäten.

Bei „echten“ Vorwürfen jedoch horcht man auf. Gülen wird wahlweise mit Chomeini, Scientology oder mit Opus Dei verglichen. Eine nähere Erläuterung, wie man zu diesen Vergleichen kommt? Fehlanzeige! Schließlich hat man ja nur zitiert. Aussteiger hätten es schwer und würden sich um ihre Gesundheit und Familie sorgen. Das dieser Fall -eine wie auch immer geartete Gewalt gegenüber Aussteigern- nie und nirgends in der Welt jemals stattgefunden hat, ist für den Schreiber nicht von Interesse. Der Autor macht sich an dieser Stelle lächerlich und unglaubwürdig zugleich, wenn er behauptet, der angebliche Aussteiger wäre aufgrund seiner Faszination von Gülens Frömmigkeit in die WG’s der Bewegung eingetreten, um danach entsetzt festzustellen, dass er dort keine Frauen und Alkohol findet. Es sollte ihm in den Lichthäusern aufgezwungen sein, Ungläubige als Freunde zu finden. Dumm nur, dass er 2 Zeilen weiter behauptet, dass er kaum Freunde außerhalb der Bewegung haben durfte. Dass bei derartigen Widersprüchen überhaupt kein Zweifel an der Richtigkeit beim Autor aufkam, sagt einiges aus.

Auch die Mär von den undurchsichtigen Finanzen darf in einem solchen Artikel natürlich nicht fehlen. Das alle Gülen-Institutionen eingetragene, meist gemeinnützige Vereine sind, dass Schulen, Verbände und Vereine den in Deutschland gängigen Kontrollen der jeweiligen Behörden -auch dem Finanzamt- unterliegen und sich bis dato nichts zu Schulden haben kommen lassen, spielt für SPIEGEL keine Rolle. Da passt es auch ins Bild, dass das längst widerlegte, weil völlig aus dem Zusammenhang gerissene Zitat von Gülen über Militärangriffe gegen kurdische Terroristen mantrahaft wiederholt wird. 

De facto falsch ist auch die Behauptung, Gülen erhielte mit Cemalettin Kaplan, dem einstigen „Kalifen von Köln“, gemeinsam Unterricht. Wer auch immer dem Autor diesen Floh ins Ohr gesetzt hat; eine einfache Google-Recherche hätte gereicht, um zu erfahren, dass dies nicht stimmen kann. Alleine schon der Altersunterschied von 15 Jahren hätten ausreichen müssen, um den Verfasser stutzig zu machen. Aber nein, Hauptsache die Namen Gülen und Kaplan tauchen in einem Satz auf!

Wie groß die Aversion und das Misstrauen des Autors gegenüber der Bewegung sind, zeigt sich bei seiner Beschreibung des Büros eines Dialogzentrums in Berlin. Weil er im Bücherregal das „Tagebuch der Anne Frank“ entdeckt, glaubt er zu wissen, dass dies nur ein Zeichen vorgetäuschter Trauer um die Toten des Holocausts sei. Soweit ist man also schon gekommen in Deutschland, dass sich Migranten von Einheimischen Heuchelei in Sachen Holocaust vorwerfen lassen müssen, knapp 70 Jahre nach dem nationalsozialistischen Völkermord an Millionen von Juden. 

Neue Einblicke in die Gülen-Bewegung erhält man mit diesem reißerischen Artikel mit Sicherheit nicht, wohl aber einen Einblick in die verbohrte Innenwelt des Schreiberlings Maximilian Popp.

Donnerstag, 5. Juli 2012

Wandern ist des Künstlers Last

Migration und Kunst

Von Florian Welle

Wenn Menschen migrieren, dann setzen ihre Erfahrungen Energien frei, die zu neuen Ideen führen. Wanderungen über nationale Grenzen hinweg haben die Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts deutlich geprägt. Eine Tagung hat sich nun mit dieser Prägung befasst - und mit der Frage nach dem eigenen Rassismus.

Migration ist eines der zentralen Themen unserer Zeit und bestimmt gemeinsam mit Einwanderung und Integration mal mehr, mal weniger stark den politischen Diskurs. Debatten über Migration sind immer auch solche über die eigene Identität und die Frage: Was ist deutsch? In den sechziger und siebziger Jahren diskutierte man über Gastarbeiter und machte daraus ein "Türkenproblem". Die achtziger Jahre waren das Jahrzehnt des Asyls, Metaphern wie "Überflutung" und "Das Boot ist voll" prägten diese Zeit. Seit Mitte der neunziger Jahre sind es illegale Migranten, die nach weit verbreiteter Ansicht möglichst an den Rändern Europas gestoppt werden müssen. Damit einher geht eine Grenz- und Exklusionsmetaphorik.




Kinder ausländischer Arbeiter spielen vor einer Schule in Peking: Nicht nur die Identität des Einzelnen, auch die Kunst wird durch Migration geprägt. (© AFP)

Gleich mehrere Referenten der Tagung "Migration und künstlerische Produktion", die am Wochenende in München am Center for Advanced Studies stattgefunden hat, verwiesen in ihren Beiträgen zunächst auf diese entscheidenden Etappen im Umgang mit Migration in Deutschland, um sodann fast unisono für eine Entkoppelung der politischen Diskussion vom Tagungsthema einzutreten.
 
Die Münchner Kunsthistorikerin Burcu Dogramaci, die zu dem interdisziplinären Symposion eingeladen hatte, verwies gleich zu Beginn auf eine Arbeit der Künstlerin Claire Fontaine mit dem programmatischen Titel "Foreigners Everywhere" und deutete damit an, dass das Fremdsein im Grunde conditio humana ist. Auch für den Berliner Migrationsforscher Mark Terkessidis, der zuletzt mit seinem viel diskutierten Buch "Interkultur" tagesaktuell intervenierte, ist Migration eine "Normalerfahrung", die nicht immer wieder aufs Neue erklärt werden muss - im Kreise der Anwesenden, die wie Deniz Göktürk (Berkeley) und Ortrud Gutjahr (Hamburg) seit Jahrzehnten zum Thema forschen, schon gar nicht.

Stattdessen debattierte man die Frage, ob und in welcher Weise die Erfahrung von Aus- und Einwanderung die Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts formal wie inhaltlich geprägt haben könnte. Ein noch junges Forschungsfeld.

Am Ende der Tagung standen mehr Fragen als konkrete Antworten im Raum. Man gewann den Eindruck, dass die Redner aus der Kulturanthropologie, aus Theater-, Filmwissenschaft und Kunstgeschichte das Thema überhaupt erst einmal für sich und ihre Disziplin in den Griff nehmen wollten. Während etwa die Geschichtswissenschaft mit dem stetig verfeinerten Konzept des "Kulturtransfers" mittlerweile über ein tragfähiges Rüstzeug verfügt, um herauszufinden, wie kulturelle Güter und geistige Strömungen von einem Land in ein anderes gelangen, fehlt ein solches offensichtlich noch in den genannten Fächern. Vielmehr war von biografischen Herangehensweisen bis zu diskursanalytischen Ansätzen alles vertreten.

Denkfigur der Leere
So hielt etwa die Hamburger Kunsthistorikerin Mona Schieren einen durchaus interessanten Vortrag über die amerikanisch-kanadische Künstlerin Agnes Martin und deren berühmte Rasterbilder. Diese sind vom Taoismus und der "Denkfigur der Leere" beeinflusst, und Schieren konnte zeigen, dass Agnes Martin Laotse in der Übersetzung von Witter Bynner gelesen hat.

Wenn aber der Vortrag "Zur Migration von Denkfiguren und transkulturellen Aneignungsprozessen" überschrieben ist, dann sollte man konkret der Frage nachgehen, wie repräsentativ Bynner für die damalige Zeit gewesen ist und wer außerdem den für die amerikanische Kunstszene der fünfziger Jahre prägenden asiatischen Diskurs über den Ozean getragen hat.

Den eigenen Rassismus untersuchen
Es gibt viele Formen der Migration. Menschen verändern ihren Lebensmittelpunkt nicht nur aus politischer, sozialer und wirtschaftlicher Not, sondern auch freiwillig, einfach aus Neugierde oder weil man es sich leisten kann. Der Südkoreaner Nam-June Paik, dem Mark Terkessidis unter anderem seinen Vortrag widmete, war solch ein Künstler. Wenn Künstler emigrieren, dann setzen ihre Erfahrungen, so der Tenor nicht nur von Terkessidis Beitrag, Energien frei, die zu neuen künstlerischen Ideen führen. Deshalb gibt es auch keine "Ästhetik der Migration", sondern höchstens "Ästhetiken". Darin waren sich am Ende alle einig.

Weniger einig war man sich, als es darum ging, Künstler wie Fred Wilson zu beurteilen. Dieser thematisiert das Schicksal von Migranten mit einem aufklärerisch-kritischen Gestus. Sehr flink waren da Teilnehmer mit ihrer Einschätzung bei der Hand, dessen Werke würden auch nur wieder mit "stereotypen, ethnisierenden Bildern des Fremden" arbeiten und keine wirklichen "Gegenbilder" produzieren. Sehr befreiend wirkten da Ortrud Gutjahrs provokative Einwürfe: "Mich interessiert, wie Stereotype funktionieren!" Und damit verbunden: "Für mich ist es spannender, meinen eigenen Rassismus zu untersuchen!"

SZ-Online


Turbo-Abi: SPD macht Front gegen "Zwangs-G8"

Rückkehr zu neun Jahren Gymnasium?

Ulm/Stuttgart - Turbo-Abitur nein, Diplom ja: Die baden-württembergischen und die bayerischen Genossen machen bei ihrem Ulmer Treffen bildungspolitische Aufschläge.


In Baden-Württemberg hat die SPD bereits durchgesetzt, dass an 44 Gymnasien das Abitur nach neun Jahren wieder möglich wird.

Die SPD-Fraktionen in Baden-Württemberg und Bayern haben das neunjährige Gymnasium noch nicht aufgegeben. Bei einem Treffen in Ulm vereinbarten die Fraktionschefs Claus Schmiedel (Baden-Württemberg) und Markus Rinderspacher (Bayern), mit einer Studie die konkreten Auswirkungen des Turbo-Abiturs in acht Jahren auf Familie, Vereine und bürgerschaftliches Engagement untersuchen zu lassen. “Das Zwangs-G8 hat bei vielen Familien dazu geführt, dass der Samstag zum heimlichen Schultag wird“, sagte Schmiedel. Seine SPD hat in Baden-Württemberg bereits durchgesetzt, dass an 44 Gymnasien das Abitur nach neun Jahren wieder möglich wird. Die Unions-geführten Regierungen hatten vor einigen Jahren in beiden Ländern das sogenannte G8 eingeführt.


Die oppositionelle Bayern-SPD will noch weiter gehen: “Wir in Bayern wollen die Oberstufe flexibler gestalten: Schüler sollen Lerninhalte mehr als bisher selbst wählen können und entscheiden, ob sie die Oberstufe in zwei oder drei Jahren durchlaufen wollen“, sagte Rinderspacher. Sein Stuttgarter Kollege Schmiedel dringt ebenfalls schon länger darauf, dass die starre Begrenzung von 44 Schulen aufgegeben wird, doch die Grünen sind dagegen.

Schneller Ausbau der Verkehrsachsen in Süddeutschland


In ihrer “Ulmer Erklärung“ sprechen sich Schmiedel und Rinderspacher außerdem dafür aus, zu prüfen, ob in technisch-naturwissenschaftlichen Fächern wieder ein Diplom eingeführt werden kann. Das würde bedeuten, dass diese Fächer aus dem Bologna-Prozess mit der Umstellung der Studiengänge auf die Bachelor-Master-Struktur herausgenommen werden müssen. Hintergrund ist aus SPD-Sicht, dass die Übergangsquoten von den Bachelor- in die Masterstudiengänge in diesen Fächern so hoch sind, dass dies auf Dauer zu teuer werde.

Die SPD-Fraktionen forderten zudem Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) zu mehr Tempo beim Ausbau der Verkehrsachsen in Süddeutschland auf. Der Bund müsse den wichtigen West-Ost-Verbindungen finanziell und zeitlich Vorrang einräumen. “Der Bund muss seine Gelder künftig dort konzentrieren, wo der Druck am größten ist“, sagte Schmiedel. Der dringend nötige Ausbau der Autobahn 8 stocke vor allem beim Albaufstieg. Die Fraktionen dringen zudem darauf, dass bald die neue ICE-Strecke zwischen Ulm und Augsburg angegangen wird.
dpa






Mittwoch, 4. Juli 2012

Den digitalen Graben überwinden

Gescheitertes Acta-Abkommen
Ein Kommentar von Dirk von Gehlen



Das Anti-Piraterie-Abkommen Acta ist im Europäischen Parlament gescheitert. Die digitale Zivilgesellschaft hat ihren Protest gegen eine Politik der Vergangenheit erfolgreich auf die Straße getragen hat. Jetzt muss die Politik endlich Schlüsse aus der neuen Lebensrealität ziehen und mit den Kritikern Lösungen für ein modernes Urheberrecht finden.


Um zu verstehen, welche Folgen sich aus der heutigen Abstimmung im Europaparlament über das Handelsabkommen Acta ergeben, könnte man europäische und deutsche Urheberrechtstexte wälzen, man könnte den Lauf von Verhandlungen multilateraler Abkommen recherchieren - oder man sucht einfach einen Song der Hamburger Band Deichkind heraus.



Er trägt den Titel "Illegale Fans" und ist so etwas wie der Soundtrack zum illegalen Downloaden. Dessen Eindämmung hatte Acta unter anderem zum Ziel - mit unverhältnismäßigen Mitteln wie die zahlreichen Kritiker bemängeln, die Anfang des Jahres zur Überraschung der breiten Öffentlichkeit auf die Straße gingen. Ihrer Meinung nach hätte es Acta ermöglicht, Privatpersonen wegen Kopierens einer CD zu belangen oder es den Zollbehörden erlaubt, private Laptops zu durchsuchen.

Der Deichkind-Song handelt nicht von Provider-Haftung oder von härterer Rechtsdurchsetzung, er beschreibt vielmehr wie die illegale Nutzung von Tauschbörsen für eine wachsende Bevölkerungsgruppe zum popkulturellen Distinktionsmerkmal geworden ist. Weil ihre Lebensrealität kriminalisiert wird, reagieren sie mit Protest: "Keine Macht für niemand", heißt es in Anspielung auf den Ton Steine Scherben-Klassiker, "Wir werden uns nicht stellen. Ihr seid das Imperium, wir sind die Rebellen."


Digitaler Graben
Die Debatte um ein zukunftsfähiges Urheberrecht ist mittlerweile so verfahren, dass Bands bereits Songs darüber schreiben, die illegales Downloaden zum Kriterium für Coolsein erheben. So klingt es also, wenn man den digitalen Graben, der die Gesellschaft durchzieht, beständig ignoriert und den Herausforderungen der Zukunft lediglich die Rezepte der Vergangenheit entgegenzusetzen hat.

Es zählt zu den zahlreichen Paradoxien des digitalen Raums, dass Deichkind diesen Song übers illegale Downloaden sehr legal verkaufen - und nicht wenige Menschen ihr Album "Befehl von ganz unten" auch käuflich erworben haben. Sie treffen damit aber offenbar eine Stimmung, die sich bei den Anti-Acta-Demonstrationen Anfang Februar europaweit ausdrückte: der Widerstand gegen die Politik der Rechtsdurchsetzung der vergangenen Jahre, die im Fall von Acta von vielen als einseitiges Klüngeln großer Lobbygruppen wahrgenommen wurde.
Die Geheimverhandlungen zu Acta bestätigten ihnen den Eindruck, dass demokratische Spielregeln missachtet wurden, um einseitig Interessen durchzusetzen.

Urheberrechtsbruch als Coolness-Faktor
Die Reaktion der "Illegalen Fans": Sie erheben den Bruch urheberrechtlicher Spielregeln selber zum Coolness-Faktor. Sie erfreuen sich daran, auch bei Androhung noch härtere Strafen nicht greifbar zu sein und verlieren dabei die letzte Einsicht in die Notwendigkeit eines funktionierenden Urheberrechts. Angesehene Juristen wie Axel Metzger von der Uni Hannover fordern deshalb schon lange, "Druck aus dem Kessel zu nehmen" und die Politik der einseitigen Rechtsdurchsetzung zum Beispiel durch pauschale Abgabemodelle abzulösen. Alles andere würde die schwindende Einsicht ins Urheberrecht nur weiter minimieren.


Die heutige Entscheidung des Europaparlaments gegen Acta muss in diesem Zusammenhang als Hoffnungszeichen gewertet werden. Sie ist der Beweis dafür, dass demokratische Spielregeln sehr wohl gelten und sie ist die Aufforderung an alle gesellschaftlichen Gruppen, jetzt nach Lösungen zu suchen, diese Spielregeln im Urheberrecht auf eine legitimierte Grundlage zu stellen.


Kultureller Schaden
Dazu gehört zunächst, den illegalen Fans zu zeigen, dass in der Illegalität kein Zauber liegt, sondern kultureller Schaden. Das kann aber nur dann gelingen, wenn man die Auslöser für die vermeintliche Illegalität versteht. Man muss die Beweggründe und die Lebensrealität derjenigen anerkennen, die gegen Acta aufbegehrt haben - und daraus Schlüsse ziehen.


Spätestens mit dem heutigen Tag betritt ein Spieler die europäische Bühne, auf den sich die Politik erst einstellen muss: Die digitale Zivilgesellschaft hat in den vergangenen Monaten bewiesen, dass sie eine gewichtige Stimme in der Debatte um die Folgen der Digitalisierung ist.
Daraus erwächst jetzt auch einen gewichtige Verantwortung. Sie darf sich nicht dem Reflex hingeben, den die Band Deichkind nutzt. Es geht um mehr als darum, eine gesellschaftliche Stimmung zu bedienen. Es geht darum, Lösungen für ein Urheberrecht zu finden, das eine angemessene Vergütung sicherstellen kann, aber eben auch anerkannt wird von der Bevölkerung.


SZ-Online







Mittwoch, 27. Juni 2012

Einwanderer starten Aufholjagd


Regierungsbericht
Die Zahl der Schulabbrecher sinkt, immer öfter gehen Einwandererkinder in eine Kita, immer mehr machen Abitur: Im Bildungswesen zeichnet sich laut Ausländerbericht der Regierung eine Aufholjagd ab. Auf dem Arbeits -und Ausbildungsmarkt allerdings ist die Lage verheerend.

Berlin - "Deutschland schafft sich ab" - mit diesem provokanten Buchtitel sorgteThilo Sarrazin vor zwei Jahren für Aufregung. Nun gibt es neue Fakten zum Stand der Integration in Deutschland. Auf mehr als 650 Seiten hat die Bundesregierung in ihrem 9. Bericht über die "Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland" Zahlen und Studien zusammengestellt.
Wie leben Deutschlands Migranten? Was lernen sie, auf welche Schulen gehen sie, wie viel Geld haben sie? Engagieren sie sich in der Gesellschaft? Und: Gibt es immer noch die großen Unterschiede zwischen den "Urdeutschen" und den "Migranten"?
Fest steht: Die apokalyptischen Sarrazin-Thesen lassen sich anhand des Berichts nicht belegen. Im Gegenteil: Von einem Aufholen der Einwanderer ist in dem Bericht von Staatsministerin Maria Böhmer (CDU) die Rede. Die wichtigsten 
Ergebnisse der Studie im Überblick:



Bevölkerung: Die Zahl der Einwanderer, die in Deutschland leben, ist in den vergangenen Jahren leicht gestiegen. 2010 kamen in Deutschland 15,7 Millionen Menschen aus einer Zuwandererfamilie (100.000 mehr als im Jahr 2008). Die größte Zuwanderergruppe stellen nach wie vor Menschen aus der Türkei. Die meisten Migranten haben die deutsche Staatsbürgerschaft, und die Zahl der Einbürgerungen ist im Berichtszeitraum wieder gestiegen: Nachdem sie im Jahr 2008 auf 94.470 gefallen war, stieg sie 2009 auf 96.122 und 2010 weiter auf 101.570.

Altersstruktur: Zuwanderer sind im Schnitt deutlich jünger - ihr Durchschnittsalter liegt bei 35 Jahren (statt bei 45,9 Jahren in der deutschen Mehrheitsgesellschaft). Bei den unter fünfjährigen Kindern haben in Deutschland mehr als ein Drittel einen Migrationshintergrund - ihr Anteil steigt immer weiter. Besonders viele kleine Kinder aus Einwandererfamilien leben in den Großstädten.

Zuwanderung: Im Jahr 2011 sind insgesamt rund 240.000 Menschen mehr aus dem Ausland zugezogen als ins Ausland abwanderten. Laut dem Bericht konnte zuletzt im Jahr 2001 ein vergleichbar hoher Zuzug festgestellt werden. Als Grund dafür wird die Arbeitnehmerfreizügigkeit seit Mai 2011 für Bürger aus den acht Ländern, die 2004 der EU beigetreten sind, genannt. Aber auch die Euro-Krise spielt eine Rolle. So kamen im Jahr 2011 deutlich mehr Einwanderer aus Griechenland und Spanien nach Deutschland als im Jahr 2010.

Kitas und Kindergärten: Immer mehr Kinder mit Migrationshintergrund besuchen Kindertagesstätten. Die Betreuungsquote der Kinder aus Einwandererfamilien ist zwischen 2008 und 2011 um 53 Prozent gestiegen (von 9,1 auf 14 Prozent). Bei Kleinkindern ohne Migrationshintergrund beträgt die Steigerung 39 Prozent - von ihnen besuchten 2011 30 Prozent eine Krippe. Ein großes Problem bei der frühkindlichen Förderung: Es gibt eine starke Segregation. Viele Kinder, die zu Hause nicht Deutsch sprechen, gehen auch in eine Kita, in der die meisten Kinder ebenfalls aus anderssprachigen Elternhäusern kommen. Im Kindergartenalter zwischen drei und sechs Jahren wird auch der Großteil der Kinder aus Einwandererfamilien nicht zu Hause betreut - auch hier ist die Quote in den vergangenen drei Jahren noch gestiegen. 2011 gingen 85 Prozent der Kinder mit Migrationshintergrund in einen Kindergarten und 97 Prozent der Kinder aus Familien, die aus Deutschland stammen. Die Zahlen sind in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich: So sind in Hamburg und Schleswig-Holstein die Unterschiede zwischen Migranten und aus Deutschland stammenden Kindern am größten.

Schule: "Schrittweise nähern sich die schulischen Leistungen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund jenen ohne Migrationshintergrund an", heißt es in dem Bericht. Der Anteil der ausländischen Jugendlichen, die die Schule ohne Abschluss verlassen, sank von 2004 bis 2010 um 39 Prozent - ist aber trotzdem mit 12,8 Prozent mehr als doppelt so hoch wie bei den deutschen Schülern. In dem Bericht werden in diesem Punkt allein Ausländer und Deutsche unterschieden, weil in der Schulstatistik nur Nationalitäten erfasst werden - unabhängig vom Migrationshintergrund. Noch immer gibt es starke Unterschiede in den Schulformen. Überproportional viele Ausländer (33 Prozent, bei den Deutschen 12 Prozent ) gehen auf eine Hauptschule - ihr Anteil an den Gymnasiasten ist mit gut einem Viertel weit unterdurchschnittlich. Aber in der Mitte treffen sich beide Gruppen: Die Verteilung auf der Realschule hat sich angeglichen. Und: Der Anteil der ausländischen Schüler, die Abitur oder Fachabitur machen, ist zwischen 2005 und 2010 deutlich gestiegen, um insgesamt 36 Prozent. Bei den Nationalitäten gibt es große Unterschiede: Schüler, die aus Russland stammen, sind unter den Migranten am häufigsten auf einem Gymnasium - am schlechtesten stehen bildungsmäßig türkische und italienische Schüler da. Vor allem die soziale Herkunft ist dem Bericht zufolge hierfür entscheidend.

Ausbildung: Eine Trendwende auf dem Ausbildungsmarkt für Jugendliche mit Migrationshintergrund ist dem Bericht zufolge noch nicht erreicht - trotz der guten Entwicklungen bei der Schulbildung. Ende Dezember 2010 lag der Ausländeranteil an allen Auszubildenden bei nur 5,1 Prozent - obwohl die Ausländerquote bei den 15 bis 24 jährigen insgesamt 10,6 Prozent beträgt. Jungen Migranten gelingt es nach wie vor deutlich seltener als Jugendlichen ohne Migrationshintergrund, nach der Schule eine berufliche Ausbildung zu absolvieren, so der Bericht. Das sei auch darauf zurückzuführen, dass Arbeitnehmer bei Einstellungen immer noch häufig pauschal über die Gruppe der Migranten urteilten. So werde etwa ein niedriger Schulabschluss in Verbindung mit weniger Leistungsfähigkeit und Motivation gebracht. "Problematisch ist, dass diese Eigenschaften dann der gesamten Gruppe der Jugendlichen mit Migrationshintergrund zugeschrieben werden, da sie wesentlich häufiger über eine geringe schulische Qualifikation verfügen als diejenigen ohne Migrationshintergrund", so der Bericht . Dramatisch bleibt: Immer noch hatten im Jahr 2010 fast ein Drittel der Migranten im Alter von 25 bis unter 35 Jahren keinen Berufs- oder Hochschulabschluss - dreimal so viele wie bei den Gleichaltrigen, deren Familien aus Deutschland stammen. Dagegen hat sich die Zahl der ausländischen Hochschulabsolventen in Deutschland seit Ende der neunziger Jahre mehr als verdreifacht.

Arbeitslosigkeit: Migranten sind immer noch deutlich häufiger arbeitslos als die Gesamtbevölkerung. Zwar sank im Zeitraum 2005 bis 2010 die Arbeitslosenquote bei Einwandern insgesamt sehr deutlich von 18,1 Prozent auf 11,8 Prozent (im Vergleich: in der Gesamtbevölkerung von 11,3 Prozent auf 7,1 Prozent). Am häufigsten sind Migranten ohne deutschen Pass ohne Job - aber auch hier gibt es leichte Verbesserungen. Bei Ausländern ging die Arbeitslosigkeit von 2010 bis 2011 von 18,2 auf 16,9 Prozent zurück. Aber: Insgesamt konnten Migranten von der guten Konjunkturentwicklung weniger profitieren als Arbeitnehmer aus deutschen Familien - der Abstand zwischen beiden Gruppen wird immer größer.


Armut: Das Armutsrisiko ist bei der Bevölkerung mit Migrationshintergrund dreimal höher. Einwanderer müssen laut Bericht mehr als doppelt so häufig von einem geringen Einkommen leben als Personen ohne Migrationshintergrund (26,2 Prozent gegenüber 11,7 Prozent). Im Jahr 2010 mussten mehr als 60 Prozent der Familien mit Migrationshintergrund mit weniger als 2600 Euro im Monat auskommen. Bei Familien ohne Migrationshintergrund waren es 44 Prozent.

Kriminalität: Auch neue Zahlen über Kriminalität bei Ausländern gibt es in dem Bericht - sie sind allerdings den Autoren zufolge wenig aussagekräftig. So stieg 2010 der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen im Vergleich zum Vorjahr von 21,1 Prozent auf 21,9 Prozent. Die Zahl der nichtdeutschen Verurteilten stieg 2010 minimal von 169.315 auf 169.667. Daraus zu schließen, dass in Deutschland lebende Ausländer deutlich häufiger kriminell würden, sei aber unzulässig, heißt es in dem Bericht - denn es würden auch Durchreisende, Touristen, Grenzpendler und Illegale in der Kriminalstatistik erfasst. Außerdem heißt es in dem Bericht: Ausländern seien "im Vergleich zur deutschen Wohnbevölkerung deutlich jünger und der Anteil von Frauen ist geringer. Sie leben vermehrt in Großstädten, gehören eher unteren Einkommensschichten an, das Bildungsniveau ist insgesamt deutlich niedriger, die Arbeitslosigkeit hingegen höher. Diese Faktoren begünstigen eher kriminelles Verhalten."



Montag, 11. Juni 2012

Facebook-Abstimmung krachend gescheitert



Nur 0,04 Prozent Wahlbeteiligung
Was viele befürchtet hatten, ist eingetreten: Die Abstimmung über die zukünftigen Datenschutzrichtlinien des weltgrößten sozialen Netzwerks Facebooks ist an der geringen Wahlbeteiligung gescheitert. 350.000 User stimmten ab, notwendig gewesen wären 270 Millionen. Jetzt soll das Wahlverfahren überarbeitet werden.

Eine Woche lang hatten die mehr als 900 Millionen Facebook-Nutzer Zeit, um über neue Regeln für das soziale Netzwerk abzustimmen. Letztlich interessierte sich aber kaum jemand für die Partizipationsmöglichkeit: Als die Befragung am Freitag um 18.00 Uhr zu Ende ging, hatten nur gut 0,04 Prozent der Nutzer abgestimmt. Damit das Ergebnis bindend ist, hätte sich nach 
Facebooks Regeln ein Drittel der aktiven Nutzer des Netzwerks beteiligen müssen - also etwa 270 Millionen Menschen.


Facebook hatte die neuen Regeln in dieser Fassung im Mai vorgestellt und darin unter anderem genauer erklärt, welche Informationen über Nutzer gespeichert werden. Nutzer hatten daraufhin mit Tausenden Kommentaren eine Abstimmung über die Änderungen erzwungen. Der Widerstand ging maßgeblich von der Initiative Europe v. Facebook aus. Sie beanstandete beispielsweise, dass Facebook Nutzerdaten unnötig lange speichere. Facebook schrieb dazu in seinem Entwurf, Daten würden so lange gesichert, wie sie für die Bereitstellung der Dienste gebraucht würden.

Abstimmungsprozess soll überarbeitet werden

Die im Internet veröffentlichten Gegenvorschläge standen allerdings nicht zur Wahl. "Uns hat überhaupt gewundert, dass sie die Abstimmung machen", sagte Max Schrems von Europe v. Facebook. Er warf Facebook vor, Nutzer nicht ausreichend über die Abstimmung informiert zu haben. So erfuhren nur diejenigen davon, die eine bestimmte Facebook-Seite durch einen Klick auf den "Gefällt mir"-Knopf abonniert haben. "Es ist eine totale Farce, was da abgeht", sagte Schrems. Er wusste, dass das Quorum von 270 Millionen Nutzern kaum zu erreichen sein würde. "Uns geht es eher darum, aufzuzeigen, dass sie das nicht einfach machen können", sagte Schrems in Bezug auf die Änderung der Nutzungsbedingungen.Schrems hatte bereits im August 2011 Verstöße gegen europäische Datenschutzbestimmungen bemängelt. Daraufhin hatte das Unternehmen die neuen Richtlinien vorgestellt.Bei der am Freitag zu Ende gegangenen Wahl stimmten mehr als 80 Prozent für die bestehenden Bedingungen. Facebook hatte bereits zuvor erklärt, bei zu geringer Beteiligung werde das Ergebnis als "konsultativ" betrachtet. Die offiziellen Resultate will das Unternehmen am Samstag bekanntgeben. Dass bei über 900 Millionen Mitgliedern eine Beteiligung von 30 Prozent der Nutzer nicht mehr realistisch ist, bemerkte offenbar auch Facebook. Der 2009 eingeführte Abstimmungsprozess soll nun überarbeitet werden, kündigte der für Marketing zuständige Facebook-Manager Elliot Schrage an. Dabei soll geprüft werden, "ob dieser Prozess der Größe unserer Gemeinschaft und der Größe von Facebook insgesamt noch gerecht wird". "Wir nehmen Ihre Einblicke und Sorgen ernst", teilte Schrage den Nutzern mit.