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Sonntag, 25. März 2012

Soziologin: „Gülen-Bewegung muss Rolle der Frau neu definieren“

Die amerikanische Soziologin Helen Rose Ebaugh hält die Gülen-Bewegung für eine ungefährliche Bewegung. Die Bewegung habe sich auf die Förderung von Bildung festgelegt - ohne versteckte islamistische Agenda. Allerdings müssten die Gülen-Anhänger den Frauen mehr Sichtbarkeit in der Bewegung geben.    


 „Es gibt noch einige Herausforderungen, die die Bewegung überwinden muss“, erklärt Helen Rose Ebaugh im Interview mit den Deutsch Türkischen Nachrichten. Eine der wichtigsten sei die Rolle der Frauen. Vor allem in Houston, wo sie an der Universität lehrt, habe die Professorin für Religionssoziologie und Erforschung der Weltreligionen sofort gesehen, dass hier Frauen keine große Rolle spielten, sie hätten höchstens im Hintergrund agiert.
Sie vermutet, dass das beispielsweise an mangelnden Sprachkenntnissen liegt, denn in Ländern wie Belgien oder Deutschland habe sie das Gegenteil gesehen. Viele erfolgreiche ambitionierte Frauen seien hier Teil der Bewegung. Auch bei den deutschen Gülen-Vereinen gibt es bereits den einen oder anderen, bei dem Frauen auch öffentlich tätig sind. Allerdings, so bestätigen Mitglieder der Bewegung, sei die Mitwirkung von Frauen an prominenter Stelle tatsächlich noch eines der Defizite, das die Bewegung überwinden müsse.
Die Gülen-Bewegung ist umstritten. Sie ist nach dem islamischen Gelehrten Fethullah Gülen benannt, der in seinen Schriften einen Islam der Toleranz und des Dialogs propagiert (Gülen in einem der seltenen Interviews – hier). Bildung, Wissenschaft und Demokratie sind nach Gülens Einschätzung gut mit dem Leben der Muslime vereinbar.
Gülens Kritiker sind dagegen der Ansicht, Gülen versuche mit einem heimlich errichteten „Imperium“ den türkischen Staat zu unterwandern und nutze die Demokratie nur als Trittbrett. Die Gülen-Gegner, die vor allem aus den alten kemalistischen Eliten der Türkei stammen, behaupten, dass Gülen plane, auf dem Boden der Türkei einen islamistischen Gottesstaat zu errichten.
Fünf Jahre lang hat Ebaugh zur Gülen-Bewegung geforscht. Sie gilt als die beste, unabhängige Kennerin der Bewegung. Ihr Buch „Die Gülen Bewegung – Eine empirische Studie“ ist nun auch auf Deutsch erschienen. Ebaugh erzählt, dass sie sich zu Beginn ihrer Studie vor allem gefragt habe: „Woher nehmen diese Leute das ganze Geld?“ Ihre Untersuchungen hätten ergeben, „dass es keine dunklen Kanäle gibt“. Ebaugh: „Es ist in der Tat so, dass alles von Spenden der Mitglieder und von Unterstützern kommt.“ Praktisch jeder Anhänger der Bewegung spende Geld, das dann den Projekten zugutekommt. Die meisten Anhänger sagten ihr, dass sie im Durchschnitt 10 Prozent des Jahreseinkommens spendeten. Zudem seien viele wohlhabende Geschäftsleute bereit, sogar auch mehr als 20 Prozent zu spenden.


In ihren soziologischen Studien stützt sie sich auf zahlreiche Einzel- und Gruppengespräche mit Unternehmern, Angestellten und Arbeitern aus der Türkei und Houston, Texas. Dort blüht die Bewegung besonders auf: 26 Gülen-inspirierter Schulen wurden in den vergangenen Jahren aus dem Boden gestampft. In den Vereinigten Staaten gibt es mittlerweile 65 sogenannte „Harmony“-Schulen (im Irak eröffnete kürzlich eine der Bewegung nahestehende Schule – mehr hier). Die Schulen sind – wie überall auf der Welt – auch für Nicht-Muslime sehr begehrt, denn sie bieten, wie Ebaugh bestätigt, „Top-Unterrichts-Qualität vor allem in den Fächern Mathematik und Naturwissenschaften“.
„Die Stärke der Bewegung liegt daran, dass sie nicht hierarchisch ausgelegt ist, sondern aus losen Netzwerken besteht“, so Ebaugh. Durch die lokale Unabhängigkeit werde die Bewegung auch Fethullah Gülen selbst überleben, glaubt sie. Doch außer dieser Tatsache und, dass die Bewegung türkische Wurzeln habe und dem Islam entspringe, unterscheide sie sich nicht von anderen religiösen Bewegungen, die sich auch dem „Dienst am Menschen“ verschrieben haben. Daher glaubt Ebaugh, dass die Bewegung auch in Zukunft „vor allem in türkischen Milieus stark sein wird“.
Helen Rose Ebaugh war erstmals nach den Ereignissen vom 11. September 2001 durch ein Inserat in der Washington Post auf Gülen aufmerksam geworden. In dem Inserat hatte Gülen als erster muslimischer Repräsentant die Anschläge auf das World Trade Center in scharfen Worten verurteilt. Ebaugh erinnert sich noch an die „regelrechte Hetzjagd auf Muslime nach dem 11. September“: „Jeder war prinzipiell verdächtig, viele trauten sich kaum mehr aus dem Haus.“ Daher war es nur folgerichtig, dass im Westen die Suche nach einer „moderaten islamischen Bewegung“ begann. In diesem Zusammenhang begann sich die amerikanische Öffentlichkeit für den bis dahin eher unbekannten Prediger aus der Türkei zu interessieren.
Ebaugh kennt die Vorwürfe, die Gülens Gegner gegen die Bewegung vortragen. So habe auch „prinzipiell Verständnis für die Ängste“. Allerdings: „Wir haben mit zahlreichen Gülen-Kritikern in der Türkei gesprochen. Ich habe zu allen gesagt: Geben Sie mir Daten, geben Sie mir Fakten. Ich habe nichts bekommen.“ Etliche der Kritiker hätten sogar eingeräumt, dass sie gar niemand aus der Bewegung kennen.
Auch den Verdacht, die Gülen-Leute unterwanderten systematisch die AKP, sei nicht durch harte Fakten belegt. Ebaugh: „Bei einer solch großen Bewegung ist es nur normal, dass es auch Mitglieder gibt, die in der AKP eine Rolle spielen. Eine systematische, gar strategische Unterwanderung kann ich nicht erkennen.“


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